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Indien 2025: Chancen & Cluster für den Mittelstand

Warum deutsche Mittelständler jetzt in Indien wachsen: Chancen, Cluster, Partnerwahl und Market-Entry Modelle.

 

Ein Blogbeitrag von Lars Blumrodt, u.a. Dozent der IHK-Akademie Ostwestfalen

Für deutsche Mittelständler sind Indien-Engagements heute vor allem ein Umsatz- und Risikothema. Größere Nachfragemärkte, kürzere Lieferwege in ausgewählten Korridoren und geringere Faktorkosten in Engineering & Service. Gleichzeitig reduziert Indien zahlreiche Klumpenrisiken in der Lieferkette. Die geopolitische Situation verlangt nach diversifizierten Märkten für deutsche Unternehmen. Neben dem chinesischen Markt wird damit das bevölkerungsreiche Indien zu einem attraktiven Zielmarkt für immer mehr Unternehmen. Eine zunehmende Anzahl mittelständischer Unternehmen erkennt im aufstrebenden indischen Markt neue Zukunftschancen. Laut KPMG | AHK planen nahezu 80% der deutschen Unternehmen bis in das Jahr 2030 mit steigenden Investitionen in Indien. Insgesamt 68% erwarten 2025 höhere Umsätze und 59% mehr Gewinn.

Diversität im Alltag

Vielfalt ist Realität: Mit über 100 Sprachen, einer Vielzahl an Religionen und regional tief verwurzelten Traditionen ist Indien einer der vielfältigsten Märkte der Welt und diese Diversität verlangt von Marktinteressenten auch kulturelle Kompetenz, um Chancen erfolgreich zu erschließen. Das Kastensystem ist zwar formal abgeschafft, jedoch in vielen Regionen, bei Personalstrukturen, Lieferantenbeziehungen und sozialen Erwartungen noch spürbar, besonders in ländlichen Gebieten.

Indien hat laut Verfassung 22 anerkannte Amtssprachen, insgesamt werden über 100 aktive Sprachen gesprochen. Geschäftlich sind Englisch und Hindi zwar relevant, aber regional dominieren oft völlig andere Sprachen (darunter sind Tamil in Tamil Nadu, Telugu in Andhra Pradesh, Kannada in Karnataka, Gujarati in Gujarat). Die unterschiedlichen Religionen wie der Hinduismus, Islam, das Christentum, der Sikhismus, Buddhismus, Jainismus prägen Feiertage, das Konsumverhalten und Arbeitsrhythmen, was Aufgrund von saisonalen Besonderheiten auch Auswirkungen auf die ansässigen Unternehmen haben kann.

Indien bildet jährlich mehr als eine Millionen Absolventinnen und Absolventen in den Bereichen Ingenieurwesen und Informationstechnologie aus und verfügt mit einem durchschnittlichen Alter von 28 Jahren über einen der weltweit jüngsten Talentpools. Dies stellt für deutsche mittelständische Unternehmen im Maschinenbau einen bedeutenden Vorteil dar. Die Gehälter sind immer noch 60–70% niedriger als in Deutschland, was den Aufbau größerer Teams erleichtert. Jedoch liegen die Fluktuationsraten gerade in Wachstumszentren wie Bengaluru oder Pune oft über 20% pro Jahr, so dass Unternehmen in Mitarbeiterbindung und Employer Branding investieren müssen.

Erfahrungen aus dem Feld

Aus meinen Erfahrungen in Indien weiß ich, wie wichtig es ist einen zuverlässigen und etablierten Vertriebspartner zur Seite zu haben, um in den unterschiedlichen Regionen erfolgreich die Verhandlungen zu führen.

In der Diamantenstadt Surat konnte ich gemeinsam mit dem damaligen Vertriebspartner zahlreiche Verhandlungen führen und kam gleichzeitig in den Genuss, dass mir 2–3 cm große Diamanten kurzzeitig ausgehändigt wurden. Gezeigt wurden mir die zahlreichen subtilen Bearbeitungsschritte, die notwendig sind, um größere Diamanten nach und nach zu Brillanten zu verarbeiten. Ohne den Vertriebspartner wäre mir eine solche Detailtiefe und Vertrauensbasis möglicherweise nicht zuteil gekommen.

Der ausgeprägte Geschäftssinn von lokalen Vertriebspartnern, wurde mir auch bei einer langen Reise nach Mundra deutlich, als wir den Adani Mundra Cluster für erneuerbare Energien und Solarmodulfertigung besucht hatten. Mit einer geplanten Kapazitätserweiterung auf 10 GWp bis 2026 ist Adani Solar ein Vorreiter im indischen PV Segment. Ab Juni 2026 müssen in allen „sauberen“ Energieprojekten PV Module aus lokal hergestellten Solarzellen stammen. Adani ist einer der wenigen Hersteller, der diesen Anforderungen gerecht wird. Die Vernetzung mit den Entscheidungsträgern von Adani ermöglichte es uns zum damaligen Zeitpunkt Maschinentechnologien für die Solar-Modulfertigung erfolgreich zu verkaufen.

Verhandlungen können sich über den gesamten Tag hinziehen und werden nicht immer themenzentriert geführt. In Verhandlungen kommt es häufig vor, dass die Diskussion vom eigentlichen Thema abweicht und auf andere Bereiche übergeht, bevor wieder zum ursprünglichen Verhandlungsgegenstand zurückgekehrt wird. Aufgrund dieser Ausschweifungen und der Länge der Verhandlungen ist meinen deutschen Begleitern das ein oder andere Mal schon der Kragen geplatzt, was durch ein diplomatisches Einwirken durch unseren indischen Vertriebspartner subtil aufgefangen und bereinigt wurde.

Die Praxisbeispiele zeigen: Sales Management in Indien baut auf multilingualen Teams, verlässlichen und gut ausgebildeten Vertriebspartnern. Längere Entscheidungswege sind einzuplanen, Meetings sollten strukturiert, aber dennoch flexibel verlaufen und Ergebnisse schriftlich bestätigt werden.

Eintrittsstrategien: 11 Korridore und zahlreiche Industrie-Cluster

Cluster-Regionen prägen in vielen Teilen der Welt bedeutende Wirtschaftszweige und leisten einen wichtigen Beitrag zum regionalen Wachstum. In Indien kommt diesem Thema insbesondere im Kontext der Industrial Corridors eine zentrale Bedeutung zu. Indien verfügt über 11 offizielle Industrial Corridors mit attraktiven Chancen für deutsche Unternehmen. Vier Cluster-Regionen sind besonders zu erwähnen, ebenso wie die Chancen für den deutschen Mittelstand. Zwei dieser Regionen werden im Folgenden kurz vorgestellt.

Delhi–Mumbai Industrial Corridor (DMIC)

Dies ist eine der größten Industrieentwicklungsprogramme in Indien. Mit seinen Smart-City und Clusterprojekten wie Dholera oder AURIC bietet diese Industrieansammlung vor allem für den Maschinenbau, Automatisierung, Verpackung und Fördertechnik zahlreiche Chancen. Diese Region kann als Einstiegskorridor gewertet werden, da die Infrastruktur (Häfen, Flughäfen, Dedicated Freight Corridor – DFC) in diesem Cluster sehr gut etabliert ist.

Chennai–Bengaluru Industrial Corridor (CBIC) (+ Extension nach Kochi)

Der CBIC ist ein zentraler Industriekorridor im Süden Indiens, der vor allem Chancen für Werkzeugmaschinen, EV-Batterietechnik, Robotik sowie die Prüf- und Messtechnik bietet. In diesem Cluster kann man vom direkten Andocken an die Lieferketten deutscher OEMs profitieren wie Bosch, Daimler und damit von einem schnellen ROI für den Markeintritt.

Markteintritt

Beim Markteintritt können deutsche Mittelständler mit verschiedenen steuerlichen Fragestellungen konfrontiert werden. Die Einrichtung einer Betriebsstätte (Permanent Establishment, PE) kann zu Steuerpflichten führen, wenn beispielsweise Verträge oder lokale Aktivitäten auf eine bestimmte Weise gestaltet sind.

Firmengründungen sind oft mit bürokratischen Hürden und langen Genehmigungen verbunden. Lokale Unterstützung erleichtert den Markteintritt in Indien durch die Bereitstellung fundierter regulatorischer und wirtschaftlicher Analysen sowie gezielter Handlungsempfehlungen, um qualifizierte Geschäftsentscheidungen zu ermöglichen.

Employer of Record

Eine besonders flexible Beschäftigungslösung bietet das sogenannte Employer of Record (EOR)-Modell: In diesem Fall übernimmt ein lokales Unternehmen in Indien im Auftrag des ausländischen Unternehmens die rechtliche Anstellung der Mitarbeitenden. Der EOR ist verantwortlich für Lohnbuchhaltung, Steuerabführung, Sozialleistungen und die Einhaltung der komplexen indischen Arbeitsgesetze. Dadurch wird es möglich, Personal rechtskonform einzustellen, ohne vorab eine eigene Rechtspersönlichkeit im Land gründen zu müssen, ein entscheidender Vorteil für Unternehmen, die den indischen Markt testen oder schrittweise erschließen möchten.

Permanent Establishment

Beim Markteintritt können deutsche Mittelständler mit verschiedenen steuerlichen Fragestellungen konfrontiert werden. Die Einrichtung einer Betriebsstätte (Permanent Establishment, PE) kann zu Steuerpflichten führen, wenn beispielsweise Verträge oder lokale Aktivitäten auf eine bestimmte Weise gestaltet sind.

Anderes Rechtssystem

Das indische Rechtsystem basiert auf dem britischen Common Law, in dem Gesetzt haben Präzedenzfälle ein starkes Gewicht. Das kann zu jahrelangen Handelsprozessen führen, wodurch Schiedsgerichte wie die SIAC in Singapur oder die LCIA in London in den Verträgen berücksichtigt werden müssen. Für deutsche mittelständische Unternehmen bedeutet dies, dass der Markteintritt in Indien ohne solche Vertragsklauseln oder eine lokale rechtliche Expertise schnell zur Falle werden kann.

Unterstützung beim Markteintritt

Spezialisierte Beratungsfirmen mit exzellenten Indien-Kontakten unterstützen bei Marktanalyse und Markteintritt. Sie helfen geeignete Vertriebspartner zu identifizieren, Standortoptionen zu bewerten und Personalstrategien an die lokalen Gegebenheiten anzupassen. Besonders wichtig ist dabei die Kombination aus Marktkenntnis, kulturellen Verständnis und rechtlicher Expertise.

 

Wie erschließt man diesen komplexen und vielversprechenden Markt erfolgreich?

Das Seminar der IHK-Akademie Ostwestfalen „Zukunftsmärkte erfolgreich erschließen – Internationalisierung & Partnermanagement am Beispiel Indien“ bietet einen strukturierten und praxisorientierten Einstieg in genau dieser Frage.